(NL) Gesundheitsdaten, Vergleichsverhandlung und Gerichtsprozess

Thomas Reisinger | 02.May 2020

Artikelinhalt

"Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand!" Daher werden oftmals (lange) außergerichtliche Vergleichsverhandlungen geführt - wobei diverse Unterlagen zwischen Anwälten, Versicherungen, Gutachtern usw... zirkulieren - um einen Gerichtsprozess bestmöglich zu vermeiden. Nach Art 9 Abs 2 lit f DSGVO ist dies selbstverständlich auch für Gesundheitsdaten zulässig. Anders sehen dies jedoch offenbar die Niederlande.

In Artikel 9 Abs 2 lit f DSGVO ist vorgesehen, dass personenbezogene Daten besonderer Kategorie (wie etwa Gesundheitsdaten) zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen verarbeitet werden dürfen.
Durch diese Regelung soll verhindert werden, dass die Geltendmachung oder die Abwehr eines Rechtsforderung aus Gründen des Datenschutzes scheitert. Die DSGVO will einer Rechtsverfolgung nicht im Weg stehen und lässt daher für solche Zwecke ausnahmsweise die Verarbeitung von Art 9 Daten zu: Zeichnet sich ein Rechtsstreit ab ist man daher - auch ohne Zustimmung (Einwilligung) der betroffenen Personen dazu berechtigt diese Daten im Gerichtsverfahren zu verwenden oder aber - wie in der Praxis üblich - diese an weitere Parteien wie etwa Anwälte oder Versicherungen weiterzuleiten.

Erstaunliches Urteil in den Niederlanden

Als Folge eines ärztlichen Kunstfehlers machte in den Niederlanden ein Patient Forderungen gegen das Krankenhaus geltend. Dieses leitete den Fall zwecks Prüfung und und etwaiger Regulierung an die Versicherung weiter. Nachdem ein außergerichtlicher Vergleich mit dem Patienten erfolglos verlief wanderte die Causa schließlich vor das zuständige (Zivil-)Gericht, welches sich unter anderem mit der Frage auseinander setzte, ob die Weiterleitung der Daten an die Versicherung rechtens war.

Erstaunlicherweise kam das Gericht hierbei zu dem Ergebnis, dass die Weiterleitung der Daten aus Gründen des Datenschutzes nicht zulässig war. Nach Meinung des Gerichtes erlaubt Art 9 Abs 2 lit f nämlich nur die Verarbeitung im Zusammenhang mit einem Gerichtsverfahren. Außergerichtliche Vergleichsverhandlungen seien hiervon nicht umfasst weshalb die Weiterleitung gegen Art 9 DSGVO verstöße.

Was wir dazu sagen

Aus unserer Sicht ist diese Schlussfolgerung mehr als fragwürdig, da Erwägungsgrund 52 der DSGVO neben Gerichtsverfahren auch explizit außergerichtliche Verfahren erwähnt.
Überdies wäre diese Beschränkung auf das eigentliche gerichtliche Verfahren
äußerst unpraktisch, da die Eingehung eines Prozesses in der Praxis erst das letzte (und oftmals unerwünschte) Glied in einer langen Kette von Vergleichsverhandlungen** ist.

Legales Gras treibt scheinbar so manch komische Blüte :)

Links zum Artikel

Entscheidung Rb Rotterdam (englisch)
DSGVO Erwägungsgrund 52


VORHERIGER ARTIKEL

NÄCHSTER ARTIKEL